Beutekunst – Gründe, Ausmaße und die rechtliche Lage
Kriege fordern Opfer. In der Regel sind es Menschen, die auf sinnlose Weise umkommen, weil sinnlose Konflikte geführt werden, die aber so alt sind wie die Menschheit selbst. Doch nicht nur Menschen und Tiere fallen diesen Konflikten zum Opfer, sondern auch Kulturen, die fest mit den Menschen verbunden sind. Kultur besteht aus einer Vielfalt von Elementen, die zu einer besonderen Mischung führen.
Eines dieser Elemente ist die Kunst, die ihrerseits mannigfaltig in Erscheinung tritt. In Kriegssituationen wird auch Kunst zu einem zentralen Gegenstand, den die Sieger für sich beanspruchen. Wird Kunst als Beute erobert, spricht man von der sogenannten Beutekunst. Diese ist von der Raubkunst zu unterscheiden. Worin die Unterschiede genau liegen und wie aktuell das Thema Beutekunst auch weiterhin ist, wird in diesem Artikel näher erklärt.
Was ist Beutekunst?
Beute zu machen, war nicht nur schon immer eine reine Begleiterscheinung von bewaffneten Konflikten und Kriegen, sondern durchaus auch ein Grund dafür, dass Kriege überhaupt geführt wurden. Wenn diese Beute aus Kunst und Kunstwerken besteht, wird von der sogenannten Beutekunst gesprochen. Gemeint sind Kulturgüter, die von einer beteiligten Partei des Krieges aus dem Land einer anderen Partei entwendet werden. Es gibt verschiedene Gründe, warum solche Gegenstände geraubt werden. Historisch ist davon auszugehen, dass es schon immer Beutekunst gegeben hat.
Ein Aspekt, der mit Beutekunst einher geht, ist, dass sie oft auch noch viele Jahre und Jahrzehnte nach dem eigentlichen Raub zu politischen Spannungen führt, da es Unstimmigkeiten darüber gibt, wem die entsprechenden Werke gehören. Heutige Debatten dazu sind häufig von Beutekunst geprägt, die im Zuge der Kriege und Konflikte des 20. Jahrhunderts entstanden ist. In diesem Zuge wird auch von der Raubkunst gesprochen, die ein verwandtes Phänomen ist, sich aber insbesondere auf die Aneignung von Kunst innerhalb der NS-Zeit bezieht.
Unterschied zwischen Beutekunst und Raubkunst
Es hat sich etabliert, zwischen Raubkunst und Beutekunst zu unterscheiden. Während letztere generell Kulturverluste bezeichnet, die im Zuge von Kriegen entstanden sind, bezieht sich der Begriff der Raubkunst auf Kulturgüter, die durch den Einfluss des NS-Regimes entwendet worden sind. Dazu zählen auch Kulturgüter, die Personen gehört haben, die von dem Regime verfolgt wurden. In großen Teilen waren Juden unter den Raubopfern, ebenso aber auch Menschen aus den von Deutschland besetzten Gebieten. Diese Raubkunst fand unter gesetzlichen Bestimmungen des NS-Regimes statt und wurde 1945 als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft.
Die Raubkunst ist gesetzlich definiert als “verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter”. Gemeint ist damit, dass Kulturgüter von Menschen entzogen wurden, die politisch aufgrund ihrer Religion, Rasse oder politischen Ausrichtung verfolgt wurden. Die Beutekunst definiert sich dagegen als “kriegsbedingt verbrachte Kulturgüter”. Diese beiden Begriffe überschneiden sich in einigen Fällen und können nicht ganz klar voneinander getrennt werden. Raubkunst setzt entsprechend keinen Krieg voraus und betrifft Menschen, die in Deutschland gelebt haben. Das funktionierte, da es klare Gesetze gab, durch die vor allem Juden enteignet worden sind.
Ursachen, die zu Beutekunst führen
Die Gründe, die dazu führen, dass Kulturgüter entwendet werden, sind unterschiedlich. Einer der wichtigsten Gründe ist die Bereicherung, die auf diesem Wege entsteht. Entsprechende Kulturgüter werden als Werte gehalten oder aber auch am Markt verkauft, um damit andere Zwecke zu finanzieren. Ebenso werden Kunstwerke auch von bestimmten Personen behalten, um damit private Sammlungen aufzubauen. Ein weiterer Grund besteht in der Demütigung von Gegnern, da Kriege oft auf ideologischen Ideen beruhen und gegnerische Kulturen insgesamt ihrer eigenen Bedeutung entrissen werden sollen.
Der rechtliche Status von Beutekunst
Beutekunst und Raubkunst sind immer wieder Gegenstände rechtlicher Auseinandersetzungen. Die grundsätzliche Frage besteht: Wem gehören die Kulturgüter und sollten diese auch viele Jahre nach der Entwendung an die ursprünglichen Besitzer oder Orte zurückgegeben werden? Schon 1907 wurde in der Haager Landkriegsordnung in Artikel 56 festgelegt, dass Beschlagnahmungen, Beschädigungen oder Zerstörungen von Werken der Kunst und Wissenschaft sowie historischen Denkmälern als Akte militärischer Gewalt gewertet werden. 1954 wurde das durch die Präambel der Haager Konvention unterstrichen. Hier wurde festgelegt, dass eine Schädigung von Kulturgut eines Volkes das kulturelle Erbe der gesamten Menschheit schädigt.
Trotz der gesetzlichen Bestimmungen gab es vor allem im Zuge des Zweiten Weltkriegs ein Ausmaß an Beutekunst, wie es das zuvor noch nicht gegeben hat. Das führt zuweilen zu Spannungen zwischen zwei Ländern. Während Deutschland in vielen Fällen, aber auch nicht immer, Beutekunst zurückgegeben hat, gibt es heute noch eine große Anzahl deutscher Kulturgüter, die sich in Russland befinden. Völkerrechtlich hat Deutschland Anspruch auf die Rückgabe. Russland argumentiert mit der Verjährung und dass die Güter als Ausgleich für die Taten Deutschlands angesehen werden.
Zusätzlich erschwert wird das Thema dadurch, dass sich viele der Beute- oder Raubkunst zugeordneten Kulturgüter in Privatbesitz befinden und auf diesem Wege auch illegal gehandelt werden. Nicht immer wissen die Besitzer davon, welche Werke sie in ihrer Sammlung haben. Die Verfolgung und Aufarbeitung gestaltet sich daher schwierig. Unstimmigkeit gibt es auch darin, ob ausgestellte Raubkunst in dem Land der ehemals raubenden Kriegspartei zur Völkerverständigung beitragen kann, um andere Kulturen kennenlernen zu können. Dem wird erwidert, dass gerade die Rückgabe ein Akt der Völkerverständigung wäre.
Bekannte historische Fälle von Beutekunst
Beutekunst ist ein Phänomen, das unmittelbar an Kriege und Raubzüge geknüpft ist. Daher gibt es aus der Geschichte auch viele Beispiele. Folgende Beispiele sind sehr bekannte Fälle von Beutekunst:
Der Prager Kunstraub
Ein sehr bekanntes Beispiel aus der Historie für eine umfangreiche Beutekunst ist dem Prager Kunstraub zuzuordnen. Dieser geschah um das Jahr 1648 herum, also zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Prag spielte von Anfang bis zum Ende eine wichtige Rolle in diesen dreißig Jahren. Nach der Belagerung der Stadt durch die schwedische Armee kam es zu einer umfangreichen Plünderung von Kulturgütern, die Königin Christina von Schweden ausdrücklich für sich und das Königshaus beanspruchte. Nicht alle Güter kamen tatsächlich in Schweden an, doch auch heute noch findet sich beispielsweise der Codex Gigas in der Königlichen Bibliothek.
Quadriga des Brandenburger Tors
Das Viergespann – bestehend aus vier Pferden und einem Streitwagen – auf dem Brandenburger Tor ist wohl nicht nur allen Deutschen bekannt, sondern ein weltweites berühmtes Symbol. Das Motiv eines Streitwagens findet man an vielen Orten, aber die Quadriga in Berlin hat definitiv eine besondere Bedeutung und gehört fest zur Stadt dazu. 1793 wurde das Tor und damit die Quadriga fertiggestellt. Doch für einige Jahre befand sie sich danach nicht in Berlin, sondern in Paris. 1806 nahm sie Napoléon Bonaparte als Beutekunst mit in die französische Hauptstadt. 1814 wurde sie zurückgegeben und erlangte erneut ihren Platz als ikonisches Wahrzeichen Berlins.
Die Pferde von San Marco in Venedig
Um eine Quadriga handelt es sich auch bei den Pferden von San Marco. Diese Statuen stammen aus der späten Antike. Die genaue Herkunft ist nicht geklärt, doch sollen sie bereits in Rom und Konstantinopel gewesen sein. Im Jahr 1204 wurde Konstantinopel beim Vierten Kreuzzug geplündert und die Pferde fanden ihren Weg nach Venedig, wo sie auch heute noch zu sehen sind. Sie wurden dort für die Fassade der Basilika von San Marco genutzt. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie zu einem wichtigen Symbol für die Stadt Venedig. Heute befinden sie sich im Museum des Doms, während es eine Kopie am Westportal des Markusdoms gibt.
Streit zwischen St. Gallen und Zürich
Wie lange das Thema der Beutekunst zwei Seiten beschäftigen kann, zeigt sich auch am sogenannten Kulturgüterstreit, der zwischen St. Gallen und Zürich herrschte. 1712 hatte er begonnen, doch erst 2006 einen Abschluss gefunden. Grundlage des Streits war der Toggenburgerkrieg, der sich für einige Monate im Jahr 1712 zwischen verschiedenen Schweizer Konfliktparteien zutrug. Unter anderem die Fürstabtei St. Gallen auf der einen und Zürich auf der anderen Seite. Im Zuge dieses Konflikts wurden Kulturgüter von St. Gallen nach Zürich gebracht. Der Streit um die Rückgabe wurde erst 2006 beigelegt.
Plünderung des Beijing Palastes
Von 1856 bis 1860 herrschte der Zweite Opiumkrieg, der vom Vereinigten Königreich und Frankreich gegen das Kaiserreich China geführt wurde. Er endete mit der Plünderung von Yu Yuan in Peking, dem sogenannten Alten Sommerpalast. Nicht nur wurde der Palast zerstört, sondern auch umfangreich geplündert. Sehr viele Kunstschätze fanden daraufhin ihren Weg nach Europa, was schon damals zu internationaler Kritik führte. Der Palast selbst wurde nie wieder aufgebaut. Das Ende des Krieges wurde mit sehr günstigen Bedingungen für die Siegermächte bestimmt, während sich für China und Peking einiges änderte. Die Palastzerstörung- und Plünderung gilt bis heute als Demütigung Chinas.
5 Beutekunst-Schätze in Deutschland
Kulturgüter, die als Beutekunst ihren Weg nach Deutschland gefunden haben, gibt es nicht nur aus der NS-Zeit. Auch heute noch gibt es einige bekannte Beispiele, die in Deutschland angeschaut werden können.
Das Luf-Bot
Im Ethnologischen Museum in Berlin kann ein berühmtes Luf-Boot angeschaut werden, das auch als Agomes-Boot bekannt ist. Es fand 1904 den Weg nach Berlin und wurde im Jahr zuvor auf der Insel Luf gekauft, die damals zu Deutsch-Neuguinea gehört hat. Lange Zeit galt es, dass das Boot rechtmäßig erworben wurde und damit nicht unter Beutekunst fällt.
2021 veröffentlichte aber der Historiker Götz Aly ein Buch, in dem er die These vertritt, das Boot wurde unrechtmäßig entwendet. Zwar kann weder ein Kauf noch ein Raub belegt werden, doch gibt es Stimmen, die auf das koloniale Ungleichgewicht hinweisen, auf dessen Basis selten faire Geschäfte zustande gekommen sind.
Die Büste der Nofretete
Als eines der berühmtesten Kunstschätze des Alten Ägyptens gilt die Büste der Nofretete, die im 14. Jahrhundert entstand und 1912 bei einer Ausgrabung gefunden wurde. Die Ausgrabungen wurden von der Deutschen Orient-Gesellschaft durchgeführt. Offiziell heißt es, dass die Büste bei der Fundteilung Deutschland zugesprochen wurde und von der Altertumsverwaltung Ägyptens genehmigt wurde. Schon zwölf Jahre später gab es erste Forderungen Ägyptens, die Büste wieder zurückzuschicken. Schon damals gab es Zweifel daran, ob die Büste tatsächlich rechtmäßig erworben wurde. Kritiker sagen, die Fundteilung sei eine Einrichtung der Kolonialmächte gewesen und daher anzuzweifeln.
Der Thron Mandu Yenu
Im Ethnologischen Museum von Berlin ist auch der “Mandu Yenu” zu sehen – der Königsthron von Bamum. 1907 wollte man eigentlich eine Kopie des Throns erstellen und sie Kaiser Wilhelm II. zum Geschenk machen, da Sultan Ibrahim Njoya dem Verkauf des originalen Throns nicht zustimmte. Da aber die Kopie nicht rechtzeitig fertig wurde, kam es schließlich zur Verschenkung des echten Throns.
Heute steht eine Kopie in Kamerun, in das später das Königreich Bamum 1884 aufging. Die Umstände der damaligen Schenkung werfen Fragen auf, zumal ein Verkauf des Throns lange Zeit abgelehnt wurde. Daher wird auch der Mandu Yenu immer wieder im Zuge von Beutekunst erwähnt.
Der Pergamonaltar
Wer einmal davor gestanden hat, der kommt nicht umhin, die Imposanz des Pergamonaltars zu erkennen. Zu finden ist er heute im Pergamonmuseum in Berlin, dessen wichtigstes Ausstellungsstück eben der Altar darstellt. Seinen Weg nach Deutschland fand er nach 1886, nachdem Carl Humann, ein deutscher Ingenieur, Ausgrabungen in Pergamon, einer ehemaligen kleinen Stadt an der Westküste der Türkei, durchgeführt hatte. Der Altar stammt aus dem 2 Jahrhundert v. Chr, womit Pergamon eine griechische Stadt gewesen ist. Nach der Ausgrabung gab es eine Abmachung zwischen dem Osmanischen Reich und Deutschland, wodurch die Teile des Alters nach Berlin gebracht wurden. Über die Rechtmäßigkeit dieser Abmachung gibt es heute Unstimmigkeiten.
Die Benin-Bronzen
Ein sehr bekannter Fall von Beutekunst betraf die Benin-Bronzen. Dabei handelt es sich um Skulpturen und Reliefs, die in großen Teilen aus Bronze gefertigt wurden und dem Königreich Benin in Afrika gehörten, das auf dem heutigen Gebiet Nigerias lag. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Königreich von den Briten erobert, die anschließend viel Beutekunst verkauften.
Unter anderem wurde die Beutekunst auch an Deutschland verkauft, weshalb 20 Benin-Bronzen ihren Weg in verschiedene Museen des Landes fanden. 2022 wurden diese Bronzen schließlich unter der Führung von Kultusministerin Claudia Roth und Außenministerin Annalena Baerbock zurückgegeben.
Beutekunst/Raubkunst: Kataloge und Datenbanken
Lost Art Database
Die Lost Art Database dokumentiert verlorene und gestohlene Kunstwerke. Sie konzentriert sich auf Werke, die während des Zweiten Weltkriegs verloren gingen. Museen und Privatpersonen nutzen die Datenbank aktiv. Dadurch fördern sie die Rückgabe von Kulturgütern. Das Deutschen Zentrum Kulturgutverluste betreibt diese wichtige Datenbank. Internationale Kooperationen stärken ihre Effektivität und Reichweite.
The Art Loss Register
Das Art Loss Register (ALR) sammelt und dokumentiert weltweit gestohlene und vermisste Kunstwerke. Es bietet Überprüfungsdienste an, um die Herkunft von Kunstwerken zu verifizieren. Museen und Auktionshäuser nutzen diese Dienste regelmäßig. Das Register unterstützt aktiv die Rückführung gestohlener Kunstwerke. Zudem arbeitet es eng mit Strafverfolgungsbehörden zusammen. Beratungsdienste und Schulungen fördern das Bewusstsein für Kunstkriminalität.
Forschungsdatenbank Proveana
Proveana ist eine Forschungsdatenbank für Provenienzforschung. Sie dokumentiert die Herkunft und Geschichte von Kulturgütern. Forscher und Institutionen nutzen Proveana, um Informationen zu Kulturgütern zu teilen. Die Datenbank enthält umfangreiche Details zu Kunstwerken und deren Vorbesitzern. Dadurch erleichtert Proveana die Suche nach rechtmäßigen Eigentümern. Außerdem unterstützt sie die Rückgabe von Raubkunst.
Fazit zum Thema Beutekunst
Das Thema der Beutekunst ist vielschichtig und sowohl historisch als auch seiner Natur nach hochaktuell. Von der Beutekunst wird in der Regel gesprochen, wenn Kulturgüter aufgrund von Kriegssituationen oder ähnlichen Verhältnissen aus einem Land in ein anderes verfrachtet werden. Von der Raubkunst wird im Speziellen geredet, um von den Enteignungen zu sprechen, die im Zuge der NS-Zeit aufgekommen sind. Oftmals führen solche Vorgänge auch viele Jahre später noch zu Konflikten, da über die Besitzrechte gestritten wird. In manchen Fällen können sich Parteien elegant und sinnvoll einigen, doch das ist leider nicht immer der Fall.