Ich und Du (2013) - Handlung, Besetzung und Filmkritik
Der italienische Film „Ich und Du“ von Bernado Bertolucci handelt von zwei Halbgeschwistern, deren Schicksale sich zufällig kreuzen, als beide sich in einer Lebenskrise befinden und vor der Realität zu entfliehen versuchen. Zentraler Ort des Geschehens ist ein Kellerverlies, in dem sich die beiden erst nach Jahren Ihrer Kindheit kennenlernen und vor dem jeweils anderen ihre dunklen Geheimnisse der jüngsten Vergangenheit offenbaren.
Dauer: | 96 Min. |
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FSK: | ab 16 Jahren |
Jahr: | 2013 |
Regie: | Bernardo Bertolucci |
Produzenten: | Maren Ade, Jonas Dornbach, Janine Jackowski |
Hauptdarsteller: | Jacopo Olmo Antinori, Tea Falco, Sonia Bergamasca |
Nebendarsteller: | Veronica Lazar, Tommaso Ragno |
Genre: | Drama |
Studio: | CLA GmbH |
Sprachen: | Deutsch |
Im Verlauf der Begegnung entwickelt sich eine emotionale Abhängigkeit, die letztlich in eine inzestuöse Geschwisterliebe zu münden scheint. Es geht um gewollte und auferlegte gesellschaftliche Isolation, um angeknackste Psychen und verkorkste Existenzen, um Gewalttätigkeit, Drogensucht und kalten Entzug.
Besetzung / Schauspieler, Regie und Drehorte
Der Film „Ich und Du“ aus dem Jahr 2012 basiert auf der im Jahr 2010 veröffentlichten Romanvorlage „Du und Ich“ von Niccolò Ammaniti. Regie führte Bernado Bertolucci, der mit seinem dreißig Jahre zuvor gedrehten Film „Der letzte Tango in Paris“ bereits für Furore sorgte. Erneut beweist Bertolucci mit diesem Drama sein Händchen für verdichtete Momentaufnahmen auf engstem Raum.
In den Hauptrollen agieren Tea Falco als die drogensüchtige Olivia und Jacobo Olmo Antinori als deren introvertierter Halbbruder Lorenzo. Tommaso Ragno tritt als Ferdinando, der ältere Ex-Freund von Olivia, in einigen wenigen Szenen auf. Weitere Nebenfiguren treten nur nebulös in Erscheinung, der Film wird hauptsächlich durch die beiden starken Hauptcharakteren getragen und genügt sich und seiner Geschichte damit selbst. Er wurde 2012 auf den Filmfestspielen von Cannes außer Konkurrenz uraufgeführt. Ein Jahr später war der Film für den bedeutenden italienischen Filmpreis „David di Donatello“ in mehreren Kategorien, unter anderem für die beste weibliche Hauptdarstellerin und die beste Regie, nominiert.
Inhalt und Handlung vom Film „Ich und Du“
Die Story mag sich zunächst einmal banal und langweilig anhören, entpuppt sich jedoch im weiteren Verlauf als geschickt inszeniertes Sozialdrama. Der 14jährige Teenie Lorenzo kann mit seiner Umwelt wenig anfangen. Von den Mitschülern wird er gemobbt, gleichaltrige Freunde hat er nicht, von seiner besorgten Mutter fühlt er sich genervt und unverstanden. Beim Kinderpsychologen kann der pubertierende Jugendliche für sich keine Hilfe finden. Lorenzo ist uneins mit der Welt um sich herum und sieht die Lösung seiner Seelenqualen nur darin, sich zu verkriechen und Ruhe zu finden vor den Zwängen des Erwachsenwerdens.
Also entscheidet er, eben dieses zu tun. Er lügt seine Mutter an und behauptet, zu einem Ski-Trip mit seiner Klasse zu fahren. Die Mutter gibt sich daraufhin in ihrer Sorge um den unnahbaren Jungen beruhigt und weitere Gespräche bleiben ihm damit erspart. Als er sich endlich in Sicherheit wiegt, besorgt er sich Vorräte und einen Zweitschlüssel für einen Keller. Dort, so beschließt er, will er sich die ganze Woche ausschließlich den Dingen widmen, die ihn interessieren – Musik, Horrorfilme, Bücher. Gesellschaft sollen ihm lediglich im Glas gehaltene Ameisen leisten.
Der Plan wird urplötzlich gestört, als bereits nach dem ersten Abend eine junge Frau Mitte Zwanzig in sein idyllisches Alleinsein platzt. Es handelt sich dabei um seine Halbschwester Olivia, die, obdachlos und heroinsüchtig, Unterschlupf in eben dem Keller sucht, wo Lorenzo sich eine Auszeit nimmt. Die selbstbewusste Olivia zwingt ihren jüngeren Bruder, sie in den Keller zu lassen und ihr Obdach zu geben. Nachdem er begreift, dass sie ihn verraten könnte, willigt er schließlich ein. Zwei sich völlig unbekannte Geschwister stehen sich nun gegenüber und schützen sich vorerst mit vorgetäuschter Coolness und rohen Sprüchen.
Verbunden im Verborgenen
Durch die Enge des Raumes und die Blutsverwandtschaft entsteht aber bald schon eine Nähe zwischen den beiden Protagonisten, die dazu führt, dass Lorenzo seiner Schwester beim Drogenentzug hilft. Er besorgt ihr Schlafmittel von seiner Großmutter und ringt ihr das Versprechen ab, nie wieder Drogen zu konsumieren, sobald sie clean ist. Olivia wiederum erzählt, wie es dazu kam, dass sie das Elternhaus und den gemeinsamen Vater verließ, dass sie einst als Künstlerin tätig war, die Sucht sie aber immer stärker im Griff hatte, sodass das Leben ihr entglitt.
In den wenigen Tagen entwickeln beide eine Vertrautheit im Umgang miteinander, deren Höhepunkt in einem gefühlvollen Tanz mündet. Das Kellerversteck wird zum Sinnbild von Geheimnissen und verborgenen Emotionen. In ihrem selbst geschaffenen Mikrokosmos und der Flucht vor der für beide unerträglichen Außenwelt entwickeln sie eine Bindung zueinander und entblößen das eigene Selbst. Trotz ihres Versprechens kauft sich Olivia ohne Lorenzos Wissen erneut Drogen und versteckt diese in einer Zigarettenschachtel. Am Ende ihrer gemeinsamen Zeit findet Lorenzo diese Schachtel und steckt sie seiner Halbschwester nichtsahnend ob des Inhaltes gut gelaunt zu. Beide verlassen den Keller und gehen getrennt voneinander wieder ihrer Wege.
Filmkritik und Rezension von „Ich und Du“
Der tiefenpsychologische Film „Ich und Du“ kommt mit seinen beiden Hauptdarstellern und wenigen Nebenprotagonisten aus. Der Plot ist einfach gehalten und wird von unaufgeregten Szenen getragen. Die Handschrift des Regisseurs zeigt sich vor allem in den subtilen Darstellungen der im Mittelpunkt stehenden Geschwister. Alles passiert leise und im Verborgenen, und doch ist aus der mitunter unerträglichen Stille des Kellerverlieses ein gellend lauter Aufschrei zweier gegen das Leben rebellierender Persönlichkeiten zu hören. Ob am Ende die beiden zu jeweiliger Erlösung finden durch den jeweils anderen, bleibt der Interpretation des Zuschauers überlassen.
Der Film kam mit gemischten Gefühlen bei Kritikern und Publikum an. Nicht up to date sei die Darstellung des Lorenzo, zu oberflächlich und glanzlos der Charakter der Olivia gehalten. Ein zu schwülstig inszenierter Handlungsstrang, beladen mit zu vielen Klischees, so resümierten enttäuschte Kinoexperten. Die beinahe unerkannte Schönheit des Films ist allerdings erkennbar im schlichten Gewand des Verborgenen, das durch die grandiosen schauspielerischen Leistungen beider Hauptdarsteller zaghaft ans Tageslicht getragen wird. Das Besondere, was Bertolucci hier kreiert, verbirgt sich in den Tiefen dunkler Mauern und zweier kaputter Seelen.