Transit (2018) - Handlung, Besetzung und Filmkritik

Transit“ ist ein Film, der Grenzen verschwimmen lässt – zeitlich, räumlich und emotional. Regisseur Christian Petzold verlegt die Handlung des Romans von Anna Seghers aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in die Gegenwart, ohne die Figuren oder Dialoge an moderne Verhältnisse anzupassen. Dieser bewusste Stilbruch erschafft eine Zwischenwelt, in der die Vergangenheit unaufhaltsam in die Gegenwart eindringt. Der Protagonist Georg, gespielt von Franz Rogowski, flieht vor einer unsichtbaren Bedrohung und übernimmt die Identität eines verstorbenen Schriftstellers, um sich die Ausreise nach Mexiko zu sichern. Während er in Marseille auf sein Transitvisum wartet, begegnet er Marie (Paula Beer), die nicht weiß, dass ihr Ehemann tot ist.

Dauer: 101 Min.
FSK: ab 12 Jahren
Jahr:
Regie: Christian Petzold
Produzenten: Florian Koerner von Gustorf, Michael Weber
Hauptdarsteller: Franz Rogowski, Paula Beer
Nebendarsteller: Godehard Giese, Barbara Auer, Matthias Brandt
Genre: Kriegsfilme
Studio: UniversCiné
Sprachen: Deutsch, Französisch

Marseille wird zum Labyrinth der Hoffnung und Verzweiflung, in dem Georg zwischen Täuschung und Wahrheit gefangen bleibt. Die Stadt erscheint als Ort des Übergangs, doch keine der Figuren scheint jemals anzukommen. Petzold inszeniert ein Flüchtlingsdrama, das sich zunehmend in eine melancholische Geistergeschichte verwandelt. Realität und Illusion vermischen sich, während Georg immer tiefer in die Identität des Toten schlüpft. Kann er sich retten, ohne sich selbst zu verlieren?

Besetzung / Schauspieler, Regie und Drehorte

Christian Petzold führte bei „Transit“ Regie und verfasste auch das Drehbuch. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Anna Seghers, verlegt die Handlung jedoch in die Gegenwart. Transit wurde 2018 im Wettbewerb der 68. Berlinale uraufgeführt und kam am 5. April desselben Jahres in die deutschen Kinos. Die Produktion übernahmen Florian Koerner von Gustorf und Michael Weber. Die Hauptrollen spielten Franz Rogowski als Georg und Paula Beer als Marie Weidel. Neben ihnen waren Godehard Giese als Richard, Lilien Batman als Driss und Maryam Zaree als Melissa zu sehen. Weitere Darsteller umfassten Barbara Auer, Matthias Brandt, Ronald Kukulies und Justus von Dohnányi. Die Filmmusik komponierte Stefan Will, Hans Fromm übernahm die Kameraführung und Bettina Böhler den Schnitt.

Die Dreharbeiten fanden vom 9. Mai bis 8. Juli 2017 in Marseille statt. Petzold inszenierte die Hafenstadt als Ort der Hoffnung und des Stillstands für die Flüchtenden. Bereits vor Drehbeginn probte er intensiv mit den Schauspielern, um am Set möglichst effizient zu arbeiten. Er setzte dabei auf sein bewährtes Team, darunter Kameramann Hans Fromm, Komponist Stefan Will und Cutterin Bettina Böhler. Produziert wurde der Film unter anderem mit Unterstützung von ZDF, Arte und der französischen neon productions. Die Filmförderung kam aus mehreren Quellen, darunter die Filmförderungsanstalt, das Medienboard Berlin-Brandenburg und Eurimages. Während der Dreharbeiten traf sich das Team regelmäßig, um gemeinsam Filme zu analysieren und über das Kino zu diskutieren.

Auf der Berlinale 2018 konkurrierte Transit um den Goldenen Bären, ging jedoch leer aus. Dennoch erhielt Petzold im selben Jahr den Julius-Campe-Preis, der sein Gesamtwerk würdigte. Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) verlieh dem Film das Prädikat besonders wertvoll. In seiner Inszenierung verbindet Petzold historische Themen mit gegenwärtigen politischen Fragen und reflektiert über das Exil als existenzielle Erfahrung. Der Film wurde für seine ungewöhnliche Erzählweise, die herausragende schauspielerische Leistung von Franz Rogowski und die atmosphärische Inszenierung der Stadt Marseille besonders gelobt.

Inhalt und Handlung vom Film „Transit“

Georg, ein politischer Flüchtling aus Deutschland, entgeht in Paris nur knapp seiner Verhaftung. Auf der Suche nach dem Schriftsteller Franz Weidel findet er diesen tot in einem Hotelzimmer vor. In Weidels Nachlass entdeckt er ein Manuskript und Dokumente, die ihm eine sichere Passage nach Mexiko ermöglichen. Mit seinem verletzten Kameraden Heinz flüchtet Georg in einem Zug nach Marseille. Doch Heinz stirbt unterwegs, und Georg erreicht die Hafenstadt allein. Dort sucht er Melissa auf, die Frau seines verstorbenen Freundes, und teilt ihr die traurige Nachricht mit. Während er Zeit mit ihrem Sohn Driss verbringt, findet er in der fremden Stadt erste Anknüpfungspunkte.

Als Georg Weidels Dokumente beim mexikanischen Konsulat abgeben will, wird er irrtümlich für den Schriftsteller gehalten. Ehe er sich versieht, besitzt er zwei Transitvisa – eines für ihn selbst und eines für Weidels Ehefrau Marie. Marie hatte ihren Mann einst verlassen, wartet aber nun in Marseille auf ihn, um mit ihm nach Übersee zu entkommen. Georg und Marie begegnen sich zunächst nur flüchtig, bis sie einander schließlich kennenlernen. Marie ist überzeugt, dass ihr Mann noch lebt, weil Georg mit Weidels Identität bei verschiedenen Konsulaten vorstellig geworden ist. Gleichzeitig wird Georg Zeuge der Verzweiflung der Flüchtlinge in Marseille, wo täglich Menschen spurlos verschwinden oder aus Angst vor der ausweglosen Situation ihrem Leben ein Ende setzen.

Georgs Dilemma: Wahrheit, Verrat und eine schwindende Chance

Driss erleidet einen schweren Asthmaanfall, und Georg holt den deutschen Arzt Richard zur Hilfe. Doch dieser ist nicht nur Mediziner, sondern auch Maries Geliebter. Während Richard mit seiner eigenen Flucht hadert, kommen sich Georg und Marie näher. Georg verschweigt ihr die Wahrheit über Weidels Tod, doch als er ihr ein Transitvisum anbietet, lehnt sie es ab. Sie klammert sich an die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrem Ehemann. Richard entscheidet sich schließlich doch zur Flucht, muss seinen Platz auf einem Schiff jedoch französischen Offizieren überlassen. Währenddessen fliehen Melissa und Driss aus Marseille. Georg erkennt die ausweglose Lage der Flüchtlinge immer deutlicher, als er den Suizid einer Bekannten mit eigenen Augen mitansehen muss.

Georg und Marie beschließen, gemeinsam mit der „Montréal“ zu fliehen. Doch als sie sich auf den Weg zum Hafen machen, verlässt Georg das Taxi unter einem Vorwand und verkauft Richard stattdessen seinen Platz auf dem Schiff. Er selbst plant, zu Fuß über die Pyrenäen zu entkommen. Das Manuskript, das ihn so lange begleitet hat, übergibt er dem Wirt seines Stammlokals Mont Ventoux. In der Hoffnung, Marie irgendwann wiederzusehen, bleibt er in Marseille. Dann erfährt er, dass die „Montréal“ auf eine Mine gelaufen ist und keine Passagiere überlebt haben. Mit dieser Nachricht scheint Maries Schicksal besiegelt.

Während die französische Polizei die Stadt von Flüchtlingen „säubert“, kehrt Georg in die Bar zurück. Er blickt durch das Fenster auf die Straßen, die ihm mittlerweile so vertraut sind, und hofft weiter auf ein Wiedersehen mit Marie. Als eine Frau an ihm vorbeigeht, glaubt er, sie für einen Moment zu erkennen, doch sie verschwindet in der Menge. Inmitten der Ungewissheit bleibt Georg in Marseille zurück, gefangen zwischen Vergangenheit und Zukunft, während um ihn herum die Fluchtwege endgültig versperrt werden.

Filmkritik und Rezension von „Transit“

Christian Petzold gelingt mit „Transit“ ein außergewöhnliches Filmexperiment, das Historie und Gegenwart auf faszinierende Weise verschränkt. Statt die Handlung klassisch in der Zeit des Zweiten Weltkriegs anzusiedeln, verlegt er sie in das heutige Frankreich – ohne die Sprache oder die Figuren an moderne Gegebenheiten anzupassen. Diese bewusste Irritation erzeugt eine seltsame Zeitlosigkeit, die den Film aus der Historie herauslöst und ihn gleichzeitig in eine bedrückende Realität versetzt. Franz Rogowski verkörpert Georg mit einer zurückgenommenen Intensität, die den Zuschauer in seine innere Zerrissenheit hineinzieht. Paula Beer als Marie bringt eine melancholische Unnahbarkeit in die Geschichte, die an die klassische Femme Fatale erinnert. Ihre Beziehung gleicht einem Tanz auf verlorenem Boden, geprägt von Täuschung, Hoffnung und unerfülltem Verlangen. Petzold inszeniert Marseille als Ort des Stillstands, in dem sich die Flüchtlinge in einer ständigen Warteschleife befinden – ein Spiegelbild existenzieller Unsicherheit.

Die Entscheidung, historische und moderne Elemente bewusst zu überlagern, fordert den Zuschauer heraus. Während französische Spezialeinheiten anstelle von SS-Schergen Jagd auf Flüchtlinge machen, bleibt die Bedrohung ebenso allgegenwärtig wie abstrakt. Die Stadt erscheint vertraut, doch die Menschen in ihr scheinen aus einer anderen Epoche gefallen zu sein. Diese gezielte Verfremdung erzeugt eine klaustrophobische Atmosphäre, die das Exil als ein psychologisches Dasein ohne Vergangenheit und Zukunft begreifbar macht. Transit bewegt sich zwischen Thriller und Melodram, entwickelt sich aber zunehmend zu einer Geistergeschichte. Georg ist nicht nur auf der Flucht vor einer sichtbaren Bedrohung, sondern auch vor sich selbst. Die Flüchtlinge sind wie Schattenwesen, die durch eine Welt irren, die sie nicht mehr aufnehmen will. Der Film verweigert eine klare politische Botschaft und konzentriert sich stattdessen auf das Gefühl des Verlorenseins, das über die Zeit hinaus universell bleibt.

Trotz seiner beeindruckenden Inszenierung bleibt Transit nicht ohne Schwächen. Die wiederholten Behördengänge und Identitätsverwechslungen erinnern zeitweise an kafkaeske Absurdität, verlieren jedoch im Mittelteil an Spannung. Auch die anfangs konsequente Verfremdung des Settings tritt gegen Ende in den Hintergrund, wodurch sich der Film stärker auf die emotionale Dreiecksbeziehung fokussiert. Während Petzold in Phoenix die Noir-Elemente mit gnadenloser Präzision inszenierte, erreicht Transit diese Dichte nicht immer. Dennoch ist es ein Film, der lange nachhallt – gerade weil er sich einer eindeutigen Zuordnung entzieht. Das Wechselspiel aus Realität und Illusion, Gegenwart und Vergangenheit, verleiht ihm eine beklemmende Aktualität. Christian Petzold beweist erneut sein Gespür für existenzielle Themen und erzählt eine Geschichte, die über das Flüchtlingsdrama hinaus eine universelle Reflexion über Identität, Verlust und die Unmöglichkeit des Ankommens bietet.

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