Teuer und ineffektiv für beide Seiten? Wie gut ist unser Gesundheitssystem wirklich?

Wer in Deutschland krank wird, kann darauf bauen, schnell und umfassend sowohl Hilfe wie Rehabilitation zu bekommen. Ungeachtet seines sozialen Backgrounds oder seines Lebenswandels. Aber immer häufiger wird an dem System auch Kritik laut. Und das längst nicht nur von Menschen, die gerade in der Apotheke für ein verschriebenes Medikament zehn Euro aus dem eigenen Portemonnaie bestreiten müssen.

Doch ist das bloßes Jammern auf hohem Niveau oder benötigt unser Gesundheitssystem tatsächlich selbst eine Kur?

Das deutsche Gesundheitssystem – Kurzüberblick

Frei von Kritik darf sich Deutschland rühmen, auf das älteste organisierte Gesundheitssystem der Welt zurückgreifen zu können. Denn bereits im Mittelalter betrieben Zünfte eine Absicherung ihrer Mitglieder. Nicht minder neu und wegweisend war dabei auch das, was am 15. Juni 1883 erlassen wurde: Das Bismarck’sche

Gesetz betreffend der Krankenversicherung der Arbeiter

Jeder Industriearbeiter, jeder angestellte Handwerker war fortan krankenversichert. Und zwar nach einem System, das damals regelrecht sozialrevolutionär war und auch heute noch in ähnlicher Form fortbesteht: Einen Teil (damals zwei Drittel) trägt der Arbeitnehmer, den anderen Teil bezahlt der Arbeitgeber. In der Hochphase der Industrialisierung war dies eine einzigartige Innovation, welche die späteren Gesundheitssysteme aller Länder beeinflusste.

Das deutsche Gesundheitssystem zur Zeit der IndustrialisierungAls das deutsche Gesundheitssystem in der Hochphase der Industrialisierung eingeführt wurde, war es nicht mehr als eine global einzigartige Revolution, die zahlreiche Nachahmer motivierte.

Heute sehen die Zahlen folgendermaßen aus:

  • Von dem, was jeder sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als Bruttolohn erhält, werden 14,60 Prozent (2019) als Krankenversicherungsteil abgezogen. Das ist der persönliche Beitragssatz.
  • Real bezahlen muss der Arbeitnehmer jedoch nur 7,30 Prozent seines Bruttolohns.
  • Die anderen 7,30 Prozent übernimmt der Arbeitgeber.

Das sind die Basiswerte, die seit 2015 um einen Zusatzbeitrag erhöht wurden – ein zusätzlicher Betrag, der Krankenkassen mehr Wettbewerb erlauben und Geld einbringen soll. Er wurde bis Anfang 2019 allein vom Arbeitnehmer getragen, wird seitdem aber ebenfalls paritätisch gehandhabt. Im Mittel liegt die Höhe dieses Betrages bei 0,9 Prozent, was den Krankenversicherungsanteil also auf 15,50 Prozent hochtreibt – allerdings steht es den Kassen frei, den Zusatzbeitrag selbst anzupassen.

Das deutsche Gesundheitssystem: Gut gemacht

7,75 Prozent unseres Lohns dafür, vom sportbedingten Beinbruch über Magen-Darm-Keime bis zur lebensbedrohenden Krankheit alles garantiert behandelt zu bekommen. Dafür beneiden uns viele Länder und es gibt in der Tat vieles, was das deutsche Gesundheitssystem gut kann.

1. Es ist verpflichtend

Der wohl wichtigste Vorteil wird vielleicht erst richtig bewusst, wenn man über unsere Landesgrenzen auf Länder mit anderen Gesundheitssystemen blickt. Denn Tatsache ist: Niemand ist in Deutschland nicht krankenversichert. Das gesamte System der GKV ist darauf ausgelegt:

  • Arbeitnehmer
  • Auszubildende, Schüler, Studenten und Praktikanten
  • Rentner
  • Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger
  • Land- und forstwirtschaftliche Selbstständige
  • Künstler und Publizisten

abzudecken. Sie alle müssen eine gesetzliche Krankenversicherung haben. Nur Selbstständige, Beamten und Soldaten sowie solche Angestellte, die enorm gut verdienen, sind freigestellt. Und selbst sie sind in der Pflicht, sich privat zu versichern.

Der Vorteil daran ist zweigeteilt:

  1. Es ist garantiert, dass niemand im Krankheitsfall einen übermäßigen Schaden erleidet – ungleich zu anderen Ländern, wo Menschen etwa durch Krankenhausaufenthalte in den Ruin getrieben werden können.
  2. Es gibt den Medizinern Finanzsicherheit. Sie können ungeachtet des Status alle notwendigen, auch teuren, Maßnahmen einleiten, weil garantiert ist, dass die Kosten beglichen werden.

Tatsächlich sind in Deutschland keine 100.000 Menschen ohne Krankenversicherung, das geht zumindest aus den Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Und selbst wenn, wie von manchen Kritikern behauptet, die Dunkelziffer eher im sechsstelligen Bereich liegt, bewegen wir uns doch im Bereich von Nullkomma der Bevölkerung – ein sehr guter Wert.

2. Die Leistungen sind nicht gedeckelt

Angenommen, es ist nach einem Autounfall eine Gesichts-OP samt nachfolgenden schönheitschirurgischen Eingriffen notwendig. Von den anfallenden Kosten von rund 760.000 Euro übernimmt die Krankenkasse nur 500.000 Euro. Das wäre mehr als fatal, denn es würde den Versicherungsschutz empfindlich beschneiden. Dagegen gilt in Deutschland folgende Regel, festgehalten im 5. Sozialgesetzbuch unter §12:

Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein;
sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind,
können Versicherte nicht beanspruchen,
dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken
und die Krankenkassen nicht bewilligen.

Das mag zunächst negativ klingen. Tatsächlich garantiert es jedoch, dass jeder Patient eine ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und notwendige Behandlung bekommt, ganz gleich, was diese kostet.

3. Es wird auch Vorsorge bezahlt

Vorsorgemaßnahmen der KrankenkassenDass man nach Vorlage seiner Versichertenkarte grundsätzlich behandelt wird, ist fraglos ein Vorteil. Ein weiterer ist es, dass das deutsche Gesundheitssystem so ausgelegt ist, dass es Maßnahmen bezahlt, die dafür Sorge tragen, dass es gar nicht so weit kommt. Natürlich, das hat viel mit Geld zu tun, denn Vorsorgeleistungen sind für die Kassen um einiges günstiger als Ausgaben für eine Heilung. Durch bezahlte Vorsorgeuntersuchungen können zudem Krankheiten im Frühstadium aufgedeckt und somit effektiver behandelt werden – ein weiteres Plus für die Patienten sowie eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitsniveaus.

Das deutsche Gesundheitssystem: Schlecht gemacht

Insgesamt hat unser Gesundheitssystem global einen guten Ruf, wurde oft kopiert und noch öfter als Inspiration herangezogen. Das bedeutet allerdings nicht, dass es frei von Nachteilen wäre.

1. Es ist unnötig teuer

Dass ein Gesundheitssystem, das jeden Einwohner absichert, mit hohen Kosten einhergeht, dürfte auf der Hand liegen. Allerdings stehen die Leistungen des deutschen Gesundheitssystems in keinem guten Verhältnis zum finanziellen Aufwand.

Deutschlands System kostet, gemessen am Brutto-Inlandsprodukt (BIP), 11,3 Prozent, so die Zahlen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Das ist sehr viel, liegt im internationalen Vergleich auf Platz vier hinter Schweden, der Schweiz und den USA. Dennoch sind die Menschen hierzulande nicht gesünder, liegt die Lebenserwartung nicht höher als in Ländern mit einem günstigeren System – das zeigte jüngst eine Studie aus Harvard. Im Gegenteil, was die Qualität insgesamt gesehen anbelangt, ist das hiesige Prinzip nur Mittelmaß – was auch der Hauptgrund dafür ist, dass seit zirka der Jahrtausendwende sehr viel daran gearbeitet wird.

2. Die Verwaltung ist kostenintensiv

Mit ein Grund dafür, warum das System in finanzieller Hinsicht nicht so effektiv ist, wie es sein könnte, liegt unter anderem an der Bürokratie.

Verwaltung des Gesundheitssystems ist kostenintensivAktuell gibt es in Deutschland 109 gesetzliche Krankenkassen. Das ist zwar nur noch ein Bruchteil früherer Zeiten, etwa Mitte der 1990er, als es noch 960 waren. Doch jede dieser Kassen benötigt einen eigenen Verwaltungsapparat, der bereits enorme Summen verschlingt. Gleichsam ist diese hohe Zahl kaum wettbewerbsfördernd, weil eine Mehrheit aller Kostenpunkte gesetzlich festgelegt ist. Das heißt, Kassen können sich kaum einen Wettbewerbsvorteil über diese Schiene schaffen. Hinzu kommt, dass die Politik zu einem vergleichsweise hohen Maß involviert ist und vor allem auf dem Gebiet der gesetzlichen Krankenversicherung recht starre Vorgaben macht und auch immer wieder regulierend eingreift. Das mag zwar immer mit dem Ziel geschehen, auch in einer sich ändernden Welt eine umfassende Versorgung zu gewährleisten. Aber es macht das System auch unflexibel. Dasselbe gilt für Kassenärztliche Vereinigungen.

3. Es bestehen teure Lücken für Patienten

Ausreichende Behandlung für Patienten garantiertAusreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig. So gut dieses Prinzip ist, die Realität zeigt sich für viele Menschen oft anders. Denn das Grundprinzip der Kassen ist in vielerlei Hinsicht nicht so aufgebaut, dass nach einer Krankheit alles wieder so hergestellt werden muss, wie es vorher war. Im Gegenteil, vor allem als gesetzlicher Patient muss man sich oft mit einer Lösung zufriedengeben, die nur das eigentliche Problem behebt, aber keine volle Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes anstrebt – „gut genug“ statt „so gut wie neu“. Wer etwa eine Knie-OP bekommt, bekommt zwar das Gelenk ersetzt und eine dem gesetzlichen Vorgabekatalog entsprechende Anzahl von Reha-Stunden. Reichen die jedoch nicht aus oder hinterlässt die OP eine hässliche Narbe, hat man als Patient schlechte Karten.

In dieses Kapitel gehören noch weitere Punkte:

  1. Es wird in der GKV nur nach Wirtschaftlichkeit bezahlt. Das führt vielfach dazu, dass eigentlich effektivere Leistungen nicht übernommen werden. Das gilt besonders für neuartige und somit teurere Diagnose- und Behandlungsmethoden.
  2. Was übernommen wird, steht in einem sogenannten Hilfsmittelverzeichnis. Nur was dort aufgeführt ist, wird bezahlt. Zwar wird das Verzeichnis regelmäßig aktualisiert, aber nach Meinung vieler Experten längst nicht häufig genug.
  3. Selbst im Bereich eigentlich notwendiger Maßnahmen gibt es vieles, was nicht übernommen wird. Besonders prominent dabei ist der Zahnbereich sowie Sehhilfen – das klassische „Kassengestell“, das die Versicherung bezahlt, wenn einem der Augenarzt eine Sehschwäche attestierte, existiert schon lange nicht mehr.

In der Folge müssen viele gesetzlich versicherte Menschen teils hohe Summen bezahlen, um wirklich vollständig zu genesen. Unter Umständen läuft dies auf die Aufnahme eines Kredits hinaus. Zwar kann man diesen durch effektive Maßnahmen günstig halten – etwa eine Zweckbindung – das ändert jedoch nichts an dem Grundproblem, überhaupt für eigentlich medizinisch notwendige Dinge derart hohe Summen selbst zahlen zu müssen, wenn es eine Pflichtversicherung gibt.

4. Zweiklassenmedizin

Zwar wird vor allem politisch immer wieder betont, dass es in medizinischer Hinsicht in Deutschland keine Zweiklassengesellschaft gäbe. In der Realität gibt es diese jedoch absolut. Das liegt schon in der reinen Tatsache begründet, dass es überhaupt zwei Versicherungsarten gibt – die gesetzliche Krankenkasse GKV auf der einen, die private Krankenversicherung PKV auf der anderen.

  • In einem perfekten System gäbe es diese Trennung nicht.
  • In einem weniger perfekten System wären immerhin die Leistungen deckungsgleich.
  • Im deutschen System bekommen PKV-Patienten eine erwiesenermaßen schnellere, umfassendere und qualitativ bessere Versorgung.

Zwar wird dies durch die nicht zu vernachlässigende Tatsache erkauft, dass PKV-Patienten in der Regel für alles in Vorleistung gehen müssen. Aber sie bekommen genau deshalb oft eine schnellere Behandlung, weil Ärzte und Co. das Geld direkt erhalten und nicht über das komplizierte (und langwierige) GKV-System mit seinen Zwischenstufen, Katalogen und Punkten.

Ferner haben die privaten Versicherer weit weniger rigide Vorgaben darüber, was sie übernehmen dürfen. Letzten Endes ist hier alles eine Frage des Geldes. Wer etwa einen sogenannten offenen Hilfsmittelkatalog wählt, zahlt zwar vergleichsweise hohe Summen. Aber er kann auch darauf vertrauen, dass alles übernommen wird, was ein Arzt anordnet – just auch Dinge, die für die GKV zu neu oder zu teuer sind.

5. Marktanpassungen gestalten sich teils schwierig

Preisgestaltung der Medikamente ist schwierigNeu entwickelte Medikamente müssen sich bei der Preisgestaltung stets an bestehenden Preisvorgaben der Kassen orientieren. Denn täglich sind die Krankenkassen gezwungen, zugelassene Arzneien im gewissen Rahmen zu übernehmen. Die einzige Möglichkeit die Preise anzupassen, sind Verhandlungen mit den Pharmakonzernen. Es dürfte nicht verwundern, dass diese Unternehmen dann nichts unversucht lassen, den Preis nach oben zu korrigieren – dazu gibt es sogar spezielle Rechenhilfen. Genau das geschieht in Deutschland regelmäßig. Denn das einzige „marktsteuernde“ Element, das es hier gibt, sind die regelmäßig neu ausgehandelten Arzneimittel-Festbeträge.

  • In der Theorie sollen sie sicherstellen, dass die Kassen keine übermäßig hohen Zahlungen für Arzneien leisten.
  • In der Praxis sorgt das Prinzip dafür, dass jedoch genau das passiert. Tatsächlich sind in Deutschland Medikamente deutlich teurer als bei unseren europäischen Nachbarn.

Mit ein Grund dafür ist, dass es in Deutschland im ersten Jahr nach der Markteinführung eines neuen Präparats keine Preisbindung gibt. Erst nach Ablauf der Jahresfrist beginnen die Preisverhandlungen.

6. Ärztemangel?

Der generelle Konsens in der Bevölkerung und der Politik scheint heute darin zu bestehen, dass es in Deutschland einen eklatanten Ärztemangel gäbe. Doch eigentlich ist das nicht der Fall, tatsächlich sieht es eher umgekehrt aus:

  • 2018 gab es hierzulande 392.400 berufstätige Mediziner.
  • Zum Vergleich: 1992 waren es 251.900

Quelle: Statista.com / Bundesärztekammer

Der Grund dafür ist simpel: Das deutsche Gesundheitssystem. Trotz Numerus Clausus entscheiden sich alljährlich tausende junge Menschen dafür, die medizinische Laufbahn einzuschlagen. Kein Wunder, denn das System garantiert, dass jeder Arzt ein erträgliches Auskommen hat. Zwar ist es eine Tatsache, dass Mediziner in anderen Ländern oftmals ein Vielfaches verdienen können. Aber das deutsche Prinzip garantiert, dass man dank der gesetzlichen Kassen, der vorgegebenen Punkte und Rückzahlungen gut planbare Einkünfte hat – und Sicherheit lockt seit jeher tendenziell mehr Menschen an, als absolute finanzielle Höchstleistungen.

Dennoch bestehen gewisse Probleme im Zusammenhang mit medizinischem Personal:

  1. Im internationalen Vergleich schlagen eklatant wenige Studenten die Laufbahn des Allgemeinmediziners ein. Gerade einmal rund zehn Prozent sind es aktuell. Der große Rest spezialisiert sich.
  2. Die allermeisten Mediziner lassen sich in Ballungszentren locken; hier gibt es eine jüngere Patientenschicht (weniger Risiken, die Budgetgrenzen der Kassen zu überschreiten) und vor allem die Chance, ohne finanzielle Risiken in bestehende Praxen einzusteigen – wo es auf dem Land meist zwangsweise auf den kostspieligen Ankauf hinausläuft.

7. Es ist nicht auf die alternde Bevölkerung eingerichtet

Im ersten Absatz dieses Nachteile-Kapitels haben wir festgestellt, dass die Lebenserwartung in Deutschland längst nicht so hoch ist, wie sie es angesichts der Kosten des Gesundheitssystems sein sollte. Fast schon muss man, im Sinne dieses Absatzes, ein „zum Glück…“ ergänzen. Denn das deutsche Gesundheitssystem hat hier ein Problem, das sowohl den Verbänden wie der Politik mächtige Kopfschmerzen bereitet, gegen die kaum ein Kraut gewachsen zu sein scheint:

Deutschland überaltert

Daraus ergeben sich verschiedene Weitere Probleme, die sich in den nächsten Jahren noch zuspitzen können:

  1. Die Lebenserwartung steigt. Zwar nicht in dem Maß, wie es möglich wäre, aber sie steigt.
  2. Die Geburtenrate ist seit Jahren konstant niedrig.
  3. In der Gesamtbevölkerung gibt es einem immer größeren Anteil von Rentnern
  4. Rentner zahlen zwar ebenfalls ihren normalen prozentualen Anteil an der GKV; weil sie jedoch weniger Rente bekommen als das durchschnittliche Gehalt, ist die Summe weniger. Die andere Hälfte wird nicht vom Arbeitgeber bezahlt, sondern vom Rentenversicherungsträger – meist Gesellschaften öffentlichen Rechts.
  5. Je älter Menschen werden, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie häufiger und umfassender medizinisch betreut werden müssen.

Das Ende des Weges sieht überspitzt folgendermaßen aus:

Es gibt in Deutschland immer wenige junge, gesunde Menschen, die arbeiten gehen und Krankenkassenbeiträge zahlen. Dafür gibt es immer mehr alte Menschen, die weniger einzahlen, dafür aber mehr Leistungen benötigen.

Unter diesen Vorzeichen erscheint es vielleicht auch in einem anderen Licht, dass die Kassen derartig hohe Reserven von zuletzt 21 Milliarden Euro angehäuft haben. Dieses Geld wird höchstwahrscheinlich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch notwendig sein; denn sofern sich Deutschland nicht umfassend verjüngt, bleibt andernfalls nur eine Verschlankungskur bei den Leistungen der Kassen.

Fazit zu: Wie gut ist unser Gesundheitssystem wirklich?

Es ist, ohne Wenn und Aber, eine der vielleicht wichtigsten Leistungen einer Gesellschaft, dass sie es jedem Kranken, ohne Rücksicht auf die Krankheitsgründe, seinen Lebenswandel, sein Gehalt ermöglicht, eine moderne und umfassende Behandlung zu bekommen.

Aber diese Tatsache allein macht das deutsche Gesundheitssystem nicht perfekt. Vieles von dem, was es weniger gut kann, resultiert aus seiner Komplexität. Etwa dass die Leistungen durch das Hilfsmittelverzeichnis reguliert werden. Doch ebenso resultieren viele Probleme daraus, dass das System in typisch deutscher Manier enorm bürokratisch ist, was es unflexibel macht und unnötig viel Geld kostet – und dass es vor allem aufseiten der Politik an dem Willen mangelt, wirklich umfassende Änderungen einzuleiten. Bislang wird nur in kleinen Schritten verbessert. Das mindert die gesamte Effektivität der Maßnahmen und lässt sie vielfach verpuffen.

Fraglos ist das deutsche Gesundheitssystem eine nunmehr 136 Jahre alte Erfolgsgeschichte. Doch damit auch die kommenden 136 Jahre so erfolgreich sind, braucht das System ein nicht minder revolutionäres Vorgehen als es damals Bismarck bewies – und wenn dieser so revolutionär sein konnte, sollten es heutige Bundesregierungen eigentlich dreimal sein können.

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